„Der Mensch stand immer im Mittelpunkt“

Ulrike Herrmann – nach 26 Jahren in Caritas und Stadtverwaltung Weinheim geht die Integrationsbeauftragte in den Ruhestand

Nach über einem Vierteljahrhundert im Dienst für Menschen in schwierigen Lebenssituationen verabschiedet sich Ulrike Herrmann, langjährige Bezirksstellenleiterin der Caritas Weinheim und Integrationsbeauftragte der Stadt Weinheim, in den Ruhestand. 16 Jahre war sie für die Caritas tätig, danach 10 Jahre im Rathaus – stets mit einem klaren Kompass: Nähe zu den Menschen, soziale Gerechtigkeit und der Wille, Brücken zu bauen.
Bevor sie sich nun neuen Lebenskapiteln widmet, blickt sie im Gespräch mit der Stadt Weinheim auf bewegende Begegnungen, Erfolge – und auf das, was bleibt.

Frau Herrmann, Sie waren 16 Jahre lang Bezirksstellenleiterin der Caritas Weinheim und 10 Jahre Integrationsbeauftragte der Stadt Weinheim. Was waren für Sie persönlich die bewegendsten Momente in dieser Zeit?

Die bewegendsten Momente waren immer die menschlichen Begegnungen – gerade dort, wo es schwierig war. Bei der Caritas erinnere ich mich etwa an einen krebskranken Mann, den ich unvorbereitet in seinen letzten Stunden begleiten durfte. Oder an einen alten, schwer kranken Mann, den ich gegen seinen Willen ins Krankenhaus bringen musste, weil er bei eisiger Kälte in seiner kleinen Küche fast erfroren wäre.
Als Integrationsbeauftragte war es das tröstende Gespräch mit einem jungen, unterernährten Afrikaner in der vorläufigen Unterbringung – und viele Begegnungen in dieser Industriehalle mit 200 Männern aus verschiedenen Ländern. Das waren echte menschliche Herausforderungen.
Im Rückblick waren es immer die Menschen, die mir die Kraft gaben, Projekte anzustoßen, Verbündete zu finden und Themen wie Armut oder Integration in einer Wohlstandsgesellschaft sichtbar zu machen.

Integration ist ein großes Wort. Was hat es für Sie im Alltag bedeutet – und wie haben Sie erlebt, dass Integration in Weinheim gelingen kann?
Ich habe das Wort „Integration“ im Alltag so wenig wie möglich benutzt – weil es oft zu abstrakt ist. Es geht vielmehr um das „Ankommen“ in einer neuen Gesellschaft. Das ist immer ein Prozess von Aktion und Reaktion.
In Krisen wie 2015/16 oder 2022 ging es darum, Netzwerke zu koordinieren, Akteure zusammenzubringen und pragmatisch zu handeln. Später, beim Schreiben des Integrationskonzeptes 2019, ging es stärker um die theoretische und strategische Arbeit.
Integration gelingt in Weinheim, weil wir immer offen über Herausforderungen gesprochen haben – und weil es viele Zusammenschlüsse und Kooperationen gibt: das Netzwerk Asyl Weinheim, die Lern-Praxis-Werkstatt, der „Pakt für Integration“, der Hauptamtliche Zirkel, die Zusammenarbeit mit Schulen, Kitas, VHS. Dazu kommt ein starkes Ehrenamt und eine engagierte Kommunalpolitik.

Wenn Sie an Ihre Arbeit zurückdenken: Welche Projekte oder Begegnungen sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Bei der Caritas war es die Einrichtung der Obdachlosenberatung, des Tafelladens „Appel und Ei“, der Kleiderkammer, des Kinderförderfonds und des Seniorenfonds.
Als Integrationsbeauftragte erinnere ich mich besonders an die Koordination der vielen ehrenamtlichen Projekte in den Jahren 2015/16, an die Interkulturelle Woche, an „Internationales Weinheim“ und natürlich an das Schreiben des Integrationskonzeptes.
Wichtige Wegbegleiterinnen waren unter anderem Anne Hansch von der Diakonie und die Frauenrechtlerin Naila Chikki.

Vor ein paar Tagen fand Ihr letzter internationaler Frauenausflug statt. Was macht dieses Format für Sie so besonders – und was hat Ihnen dieser letzte Ausflug bedeutet?
Der internationale Frauenausflug war in den letzten drei Jahren ein echtes Herzensprojekt. Er bietet Begegnung, Bildung, interkulturellen Austausch – und einfach Freude. Dieses Jahr war er für mich besonders wichtig, weil ich noch einmal mit den Frauen zusammen sein konnte, für die ich so viele Jahre gearbeitet habe. Mein Fokus lag immer auf der Unterstützung von Frauen.

Welche Entwicklungen in der Integrationsarbeit in Weinheim haben Sie in den letzten zehn Jahren besonders positiv wahrgenommen?
Ich möchte den Begriff Integration gar nicht bewerten. Jeder Mensch, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, hat in Weinheim die Chance, sich zu entfalten, zu lernen, zu wohnen, zu arbeiten und sein Leben zu gestalten.
Es gibt Erfolgsgeschichten – und es gibt Menschen, die scheitern. Die Bandbreite ist groß. Wichtig ist: Alle haben die Möglichkeit, ihren Weg zu gehen.

Was wünschen Sie sich für die zukünftige Integrationsarbeit in Weinheim?
Mein letzter Arbeitsschwerpunkt war der engere Austausch mit den Communities. Ich wünsche mir, dass dieser Ansatz weiterverfolgt wird: zuhören, voneinander lernen, gemeinsam neue Wege finden. Das ist die Basis für ein lebendiges Miteinander.

Welche Botschaft möchten Sie den Menschen mitgeben, mit denen Sie so viele Jahre zusammengearbeitet haben?
Offenheit und Neugier sind entscheidend. Fehler gehören dazu – wichtig ist, sie zu erkennen und daraus zu lernen. Gegenseitiger Respekt und Akzeptanz sind unverzichtbar, auch wenn es manchmal unbequem ist.
 
Und ganz persönlich: Worauf freuen Sie sich am meisten in Ihrem Ruhestand?
Auf Zeit! Zeit für meine Familie, meine Enkel, für unsere deutschen Schäferhunde, für das Reisen – und für mein Malatelier. Einfach Zeit für das, was Freude macht.